
Das neue Informationssystem für klinische Studien (Clinical Trials Information System, CTIS) wurde im Januar 2022 für Einreichungen geöffnet und bietet Sponsoren klinischer Studien in der EU einen Arbeitsbereich, in dem sie ihre Anträge für klinische Studien zusammenstellen und einreichen können. Das System soll eine zentrale Anlaufstelle für die Einreichung und Bewertung multinationaler und multijurisdiktionaler Studien mit einer öffentlich zugänglichen Website sein, die Informationen über klinische Studien in der EU und im EWR zur Verfügung stellt. Seit Januar 2023 ist die Einreichung über dieses System für Neuanträge für klinische Studien obligatorisch.
Wie hat sich das CTIS nach zwölf Monaten bewährt und wie hat es sich auf die Versicherer klinischer Studien ausgewirkt? Diese und noch einige weitere Fragen werden wir in diesem Artikel beantworten.
Die durch das CTIS verursachten Probleme betreffen nicht nur uns bei Chubb, sondern alle Versicherer im Bereich Life Sciences auf dem Markt für klinische Studien. Das CTIS funktioniert ganz anders als das EU-Register für klinische Studien (EU Clinical Trials Register), das es ersetzt hat. Es ist nicht mehr notwendig, einzelne Anträge für klinische Studien in jedem Land oder jeder Jurisdiktion einzureichen. Stattdessen ist nur noch ein Antrag für alle Länder erforderlich, unabhängig von deren Anzahl.
Diese Änderung ist gleichzeitig die wirkungsvollste und die problematischste. Auch wenn es für Sponsoren, Auftragsforschungsinstitute (Contract Research Organisations, CROs), Makler und Versicherer den Verwaltungsaufwand zu verringern scheint, ist der insgesamte Aufwand in Wirklichkeit unverändert, aber der Druck für alle Beteiligten ist viel größer. Eine Versicherung ist in der Regel der letzte Punkt, der bei der Planung einer klinischen Studie bedacht wird, und die erste Anfrage geht oft mit sehr wenig Vorlaufzeit ein. Unserer Erfahrung nach kann es äußerst kompliziert sein, alle Informationen zusammenzustellen, die für die Versicherung klinischer Studien in mehreren Ländern oder Jurisdiktionen erforderlich sind. Sobald das Risiko gebunden ist, kann es eine Herausforderung sein, innerhalb sehr kurzer Zeit Zertifikate aus mehreren Ländern zu erhalten. Da das CTIS nun verlangt, dass alle Länder auf einmal einbezogen werden, hat sich der Arbeitsaufwand für die Versicherer deutlich erhöht.
Eine weitere große Herausforderung durch das CTIS besteht darin, dass nach Einreichung eines Antrags, sollte eine Ethikkommission oder Aufsichtsbehörde Änderungen verlangen, nur ein Zeitfenster von zehn Tagen zur Verfügung steht, um diese Änderungen vorzunehmen und zu übermitteln. Das setzt Auftragsforschungsinstitute und Versicherer stark unter Druck, insbesondere wenn Policen oder Zertifikate angepasst werden müssen. Zu verstehen, welche Änderungen erforderlich sind, diese umzusetzen und Versicherungsdokumente für mehrere Länder neu zu erstellen, ist sehr anspruchsvoll und belastend für Underwriter sein.
Es gibt drei damit verbundene Herausforderungen für Versicherer klinischer Studien, die in unseren Augen besonders bedeutend sind:
Es ist anzunehmen, dass der Trend zu mehr Abbrüchen klinischer Studien anhalten wird, wenn der CTIS-Prozess nicht angepasst wird. Zudem könnten Pharma- oder Medizintechnikunternehmen davon abgehalten werden, klinische Studien in bestimmten EU-Ländern durchzuführen. Wenn beispielsweise ein Sponsor oder Auftragsforschungsinstitut weiß, dass ein Land ein besonders kompliziertes Ethikkomitee hat, wird dieses Land möglicherweise nicht in die Planung einer klinischen Studie aufgenommen. Dieses Umfeld könnte Sponsoren auch dazu bewegen, einen größeren Anteil ihrer klinischen Studien außerhalb Europas durchzuführen, etwa in Ländern wie Australien oder Singapur.
Die durch das CTIS verursachten Herausforderungen für klinische Studien haben die wichtigste kaufmännische Überlegung in der Versicheurng klinischer Studien von der Prämie hin zum Service verschoben. Daher könnten Versicherer Markteintrittsbarrieren begegnen, wenn sie die erforderliche schnelle Bearbeitung nicht bieten können. Für bereits im Markt aktive Versicherer wie uns kann es schwierig sein, die eigene Position zu halten, da das CTIS die Services stark unter Druck setzt.
Wie alle Versicherer in diesem Bereich stehen wir bei Chubb unter enormem Zeitdruck, um Anfragen zur Versicherung klinischer Studien zu erfüllen. Wie oben bereits erwähnt, kommen die Erstanfragen oft sehr spät im Planungsprozess klinischer Studien, manchmal mit nur wenigen Stunden Zeit, um das Risiko zu bewerten, ein Angebot zu erstellen und zu binden. Die Versicherung wird oft als letzter Schritt vor der CTIS-Einreichung betrachtet, was wir nicht empfehlen.
Wären Versicherer bereits zu einem frühen Zeitpunkt in die Planung der klinischen Studie eingebunden, wäre dies für die CTIS-Anträge der Kunden von großem Vorteil. Je mehr Zeit Versicherer haben, um ein Risiko zu verstehen und zu binden, desto geringer ist die Fehlerquote. Bei Chubb sind wir in der Lage, Zertifikate und Policen sehr schnell auszustellen, würden aber dennoch von längeren Vorlaufzeiten profitieren, um die erforderlichen Dokumente im Voraus vorzubereiten.
Die Absichten des neuen CTIS-Prozesses sind nachvollziehbar, aber die Auswirkungen des neuen Systems in den letzten zwölf Monaten waren für Versicherer, Auftragsforschungsinstitute und Sponsoren gleichermaßen problematisch. Die arbeitsintensive Praxis hat zu einem enormen Zeitdruck für alle Beteiligten bei der Einreichung von Genehmigungen für klinische Studien geführt. Das System hat auch bestehende Probleme mit Ethikkomitees verschärft und den Zeitdruck bei der Beantwortung ihrer Anfragen weiter erhöht.
Ich hoffe, dass der CTIS-Prozess dahingehend angepasst wird, mehr Flexibilität im Genehmigungsverfahren zu bieten. Eine Standardisierung der Ethikkomitees würde ebenfalls die Genehmigung klinischer Studien erleichtern. Eine Standardisierung würde es den Antragstellern ermöglichen, die Anfragen der Komitees besser vorherzusehen und schneller zu reagieren – was im aktuellen System sehr herausfordernd ist.
Diese Inhalte dienen ausschliesslich der allgemeinen Information. Es handelt sich dabei nicht um eine persönliche Beratung oder Empfehlung für Privatpersonen oder Unternehmen hinsichtlich eines Produkts oder einer Leistung. Die exakten Deckungsbedingungen entnehmen Sie bitte den Versicherungsunterlagen.